Heute geht es weiter mit der Reihe unserer Gastbeiträge, dieses Mal mit Julie von Mat & Mi. Julies Blog habe ich ebenfalls schon vor einigen Jahren lieben gelernt, sowohl ihre Themen, als auch ihre Art zu schreiben gefallen uns einfach sehr. Wir freuen uns daher riesig, dass sie mit dabei ist und noch dazu mit so einem tollen Thema: Reisen mit Kind. Und ja, wir haben tatsächlich geschmunzelt und zustimmend genickt, mehr als ein Mal! Vielen Dank dafür, dass du deine Erfahrungen und Tipps mit uns teilst, liebe Julie!
Einfach drauf los fahren. Um die Ecken schauen, unbekanntes Terrain erkunden, Unterschiede beobachten, fremde Menschen anlächeln, Worte austauschen. In diesen Momenten geht es mir besonders gut. Da geht es uns besonders gut. Was wir auch vor dem Kind schon liebten, sollte deswegen nicht reduziert werden. Im Gegenteil. Wenn wir zusammen reisen, können wir so viele Dinge mitgeben und ganz automatisch vorleben, die uns besonders wichtig sind. Wir können bewusst und unbewusst prägen, Neugierde entfachen, Offenheit demonstrieren, den Blick schärfen. Paul ist jetzt fast vier Jahre alt und war mit uns schon oft auf kleinen und großen Abenteuern unterwegs. Mit dem Auto, der Bahn, der Fähre und dem Flugzeug. In Deutschland, Belgien, Frankreich, Österreich, Italien, Spanien, Kanada und USA. Und so darf das gerne weitergehen. Die längste Zeit, die wir unterwegs waren, war die Nordamerikareise 2017. Sie dauerte drei Monate und hätte gerne noch länger gehen können. Die fehlende Zeit in Kalifornien holten wir ein Jahr später den gesamten Oktober dann eben nach.
Ist man einmal unterwegs, ist alles gar nicht mehr so schwer. Das Entscheiden und Loskommen ist dann schon eher der Prozess, der verschiedene Emotionen auslöst und viel Zeit in Anspruch nimmt. Da gehen einem eine Menge Dinge durch den Kopf. Manche Sorgenfalte wird danach aber auch wieder erleichtert weggeschmunzelt. Ich denke da werden jetzt auch Dani und Michael schmunzeln 😉
Vielleicht überlegt ihr auch gerade, das Kind oder die Kinder einzupacken und eine euch unbekannte Ecke auf der Landkarte zu erkunden oder eure eigenen Lieblingsorte der Kindheit nochmal ganz neu zu entdecken? Folgende Punkte finde ich bei der Entscheidungsfindung hilfreich zu betrachten um Streit, Schweißausbrüche und schlaflose Nächte zu vermeiden:
Welcher Zeitraum steht uns zur Verfügung?
Wie viel können und wollen wir für die Reise ausgeben?
Welche Reiseziele kommen für uns in Frage?
Wie wollen wir vor Ort reisen und schlafen?
Welches Reisetempo stellen wir uns vor?
Welche Erwartungen haben die Großen an die Reise?
In welchem Zustand reisen wir? Wie geht es jedem einzelnen von uns im Reisezeitraum? Was müssen wir beachten?
Haben wir komplett frei oder verbinden wir das mit Arbeit, einem Projekt, einem Onlinekurs?
Uns als Paar aber auch als Eltern haben genau solche Fragen geholfen, Rahmenbedingungen abzustecken und auch Reiseziele aus ganz verschiedenen Gründen erst mal auszuschließen. Kolumbien und Mexiko standen oben auf der Liste, wären mit Kanada und USA und einem gemütlichen Reisetempo zusammen einfach zu viel geworden, die Reiseimpfungen für den Kleinen waren auch eher auf der Minusliste und die Sorge bei jedem Mückenstich und auch einfach unser Grundzustand nach 2,5 Jahren Elternsein (müde, Lust auf viel Natur und Wandern und weniger Trubel, der Wunsch Freunde in Kanada zu besuchen usw.). Japan ist ebenfalls ein uns wichtiges Ziel, aber auch hier die Entscheidung: das machen wir wenn Paul älter ist. Er soll von dem Land und der Kultur wirklich etwas mitbekommen können. Fünf Tage Lissabon – diese Reise habe ich dann lieber mit einer Freundin gemacht, weil das Programm dort mit Kleinkind deutlich anders ausgefallen wäre. Und Rainer zog erst allein mit Fahrrad und Freunden durch die Alpen. Paul und ich trafen ihn dann am Gardasee um dann zusammen noch Urlaub im Piemont zu machen und meisterten auch alleine eine Panne mit überhitztem Auto auf dem Weg zum Brenner. Reisen macht mutig.
Genau dieses Anpassen an die Grundvoraussetzungen hilft auch während der Reise mit kleinerem Kind. Die Großen wollen gerne eine Ausstellung anschauen? Geht gut, wenn man sich aufteilt und abwechselt. Das Kind ist auf der Fahrt zum Wasserfall eingeschlafen? Einer wandert schon mal los und der andere bleibt am Camper, schnappt sich ein Buch oder macht schon mal was zu Essen und kommt mit Kind und Picknick nach. Ja, manchmal muss man sich umstellen. Manchmal nervt einen die fehlende komplette Selbstbestimmung. Kompromisse und Verhandlungen gehören dazu. Während sie im Alltag manchmal erstickt oder unterbrochen werden, kommen sie beim Reisen und so viel gemeinsamer Zeit oft noch intensiver hoch. Da muss man sie aber auch richtig lösen und klären, man kommt gar nicht drum herum auf engem Raum. Das kann anstrengend sein, aber auch enorm zusammenschweißen. Wir haben als Paar, als Eltern und auch ganz persönlich davon profitiert. Allein schon dafür lohnt sich das Ausbrechen aus dem manchmal festgefahrenen Alltag. Allein dafür lohnt sich auch das Reisen während der Elternzeit.
Wie findet Paul das so? Er mag es mit uns zu sein und da ist das „wo“ eigentlich erst mal ziemlich zweitrangig und er weiß gern was als nächstes passiert. Also beziehen wir ihn so gut es geht mit ein. Wir schauen uns oft an wo wir bald hinfahren, wie man dort spricht, wie die Flagge aussieht, welche Tiere dort leben, wie viel Uhr es dort gerade ist und welches Wetter uns erwartet. „Ich fahr nach Kanada und da sag ich dann ‚hello‘!“ bekamen viele Leute im Sommer 2017 oft zu hören 😉
Auf der Dreimonatsreise hat er mittags im Auto geschlafen und das war dann oft auch die Fahrzeit, die wir zum Weiterkommen nutzten – also ein gemächliches Tempo. Wenn man sich wie wir vorher keine feste Reiseroute ausguckt oder alles vorbucht, bringt das auch keinen Stress. Wir blieben wo es uns gefiel und navigierten eher mit der Wetterkarte und freuten uns über viele Entdeckungen, die in Reiseführern gar nicht erst erwähnt werden. Wir hatten keine Liste von Dingen, die wir abhaken wollten oder mussten. Ging aber auch deswegen gut, weil wir mit dem Camper in der Nachsaison unterwegs waren und auch mal wegen Frost, Mäusen oder einfach mal mit dem Wunsch nach einer Badewanne und mehr Platz spontan in einem Motel schliefen. Worauf ich hinauswill: man kann sich durch so manche Entscheidung auch Reisestress rausnehmen. Während manchmal auf dem Campingplatz morgens um sechs schon die ersten Reisenden aufbrachen, schlummerten wir nach so viel frischer Luft alle so gut wie selten, frühstückten gegen halb neun gemütlich und bis wir abwechselnd bei den Duschen waren und alles gespült und verstaut hatten, war selten vor elf Uhr Aufbruchszeit. Auch das kann irgendwann nerven und dann spricht man drüber und optimiert man eben.
Wir sind auch nicht die klassischen Sightseeing-Typen. Wir laufen lieber durch die Gegend und schauen mal, was und wer uns begegnen wird. Wir wollen uns ein wenig einheimisch fühlen. Wir trinken beide gerne guten Kaffee. Und das ist oft auch ein super Ausgangspunkt wenn wir in einer Stadt landen. Wir suchen uns vor Ort online ein ansprechendes gut bewertetes Café oder eine Rösterei und dann ist man eigentlich fast immer in einer netten Gegend und kann sich dort bewegen. Im Café kann man auch wieder nach Tipps fragen und so haben wir oft schöne Empfehlungen bekommen. Und dort wo es guten Kaffee gibt, gibt es oft auch was leckeres zu Essen.
Na klar gibt es auch mal Knatsche-Tage, Tränen, Missverständnisse, Kopfweh, Pflaster und irgendwelche Pannen. Genau wie Zuhause. Aber es gibt eben auch die Sahnehäubchen-Tage. Die, die ganz beseelt und zufrieden machen. Die, von denen wir noch oft erzählen werden. Die, die so viel Energie schenken und die, die so viel Lust auf noch viele viele Reisen machen.
Es muss nicht immer die weite Ferne sein. Wir hatten auch schon eine ganz wunderbare Zeit, als wir einfach mal 36 Stunden in der Nachbarstadt verbracht haben. Oder schon die Anreise zu einem Urlaubsort so gestückelt haben, dass auch dieser Weg uns Abstecher, spannende Pausen abseits der Autobahn und nicht nur das Gefühl des Durchrauschens brachte. Man kann es sich selbst gestalten, niemand schreibt einem vor wie und wohin man reisen muss. Alle anderen berichten begeistert davon, wie super es ist nachts mit Kleinkind zu fahren? Können wir nicht bestätigen. Also lassen wir es. Genauso wie All-Inclusive Urlaub. Die Eltern haben früher immer den ganzen Kofferraum mit Kram vollgeladen und die Lücken mit Klopapierrollen ausgestopft? Wer sagt denn, das man das auch so machen sollte? Beim Reisen lassen sich gut solche Muster identifizieren und auch mal hinterfragen und mit Abstand von Zuhause, blickt man genauso hinterfragend auf den Alltag dort.
Also worauf wartet ihr? Schnappt euch eure Notizbücher, Kalender und einen Atlas und los geht‘s zu großen und kleinen Reisen. Machen und dann weitermachen!
Ich verrate euch noch meine Geheimwaffen für das Reisen mit Kleinkind, vor allem wenn man eine Weile weg von Zuhause ist.
- Mit leichtem Gepäck reisen: Vor allem Kleidung nimmt man eigentlich immer zu viel mit, gerade wenn man länger als eine Woche unterwegs ist. Kleidung kann man oft irgendwo waschen und wenn sie gemustert ist, sieht man auch kleine Tomatensaucenflecken nicht sofort. Gut ist auch, wenn sich alles mit allem kombinieren lässt. Das gilt auch fürs Entertainment. Paul kam in den drei Monaten Reisezeit und mit zweieinhalb Jahren z.B. mit drei Bilderbüchern, Feuerwehrquartettkarten, einem kleinen Teddy und drei Spielzeugautos aus. Den Rest nutzten wir aus der Natur oder funktionierten wir um.
- Überblick behalten: Wo sind nochmal die Strümpfe? In dem blauen Beutel! Gerade wenn man nicht immer alles auspacken kann, hilft irgendein Sortiersystem im Gepäck. Bei uns waren es thematische Beutel und Packsäcke, die praktischerweise auch Kleidung sehr gut komprimieren (man darf allerdings kein Problem mit Knitterfalten haben). Wir hatten auch einen sehr großen Baumwollbeutel (60 Liter) dabei den ich ohne feste Funktion noch zusätzlich eingesteckt hatte. Der stellte sich als super Helfer heraus, wenn man Wäsche für drei Personen in den Waschsalon rein- und rausträgt oder spontan eine Nacht außerhalb des Campers schläft und die Siebensachen für die Nacht irgendwo reinmachen möchte.
- Bunte Pflaster und Aufkleber: haben so manche Situation gerettet und sei es auch mal als Hosendeko. Gorillatape hat sich vor allem im Camper bewährt, irgendwas muss immer mal repariert oder fixiert werden.
- Multifunktionsbecher: Verschließbare auslaufsichere Becher mit Schraubdeckel habe ich noch aus der Brei-Zeit. Erst sind die Reisesnacks drin und unterwegs sind sie mal Trinkbecher, mal Stiftehalter, mal Aufbewahrung für Muscheln und Steine, dann wieder für die Trauben auf der Fahrt und wegen der Maße passend für Becherhalter im Auto.
- Grüße von Freunden und Familie: Wenn man länger unterwegs ist, ist es schön mit den Lieben daheim in Verbindung zu bleiben. Wir hatten für unsere lange Reise einige Familienmitglieder und Freunde gebeten, einen Videogruß für Paul zu machen. Es kamen sehr kreative Videos dabei raus, die wir auf dem Tablet dabei hatten und auch so eine Notfalloption waren, falls wir auf dem Flug was aus dem Hut zaubern müssen. Haben wir dann letztendlich gar nicht und Paul sah die Videos erst Monate nach unserer Reise, dafür dann sehr oft ;). Auch den Kindern in der Kita schickten wir von unterwegs eine Mail mit Fotos, die in der Gruppe vorgelesen wurde.
- Video vom Zuhause:
Ich hatte ein Video auf dem Handy, in dem ein kleiner Videorundgang durch unsere Wohnung zu sehen ist. Das hatte ich ursprünglich für unsere Zwischenmieter gemacht. Als Paul gegen Ende der langen Reise anfing zu fragen, wie nochmal sein Zimmer aussieht und welches Spielzeug er hat, war das Video ein Glücksgriff um ihm die Rückkehr zu erleichtern und auch dieses Thema vorzubereiten. - Kinderkamera: Paul hat seit dem er zweieinhalb ist eine eigene Kamera. Eine digitale, quasi bruchsichere (davon weiß er nichts ;). Gerade wenn wir selbst unterwegs fotografieren, hat ihn das animiert selbst auch Fotos zu machen. Und um so manche langweilige Situation zu überbrücken hat sie auch schon oft geholfen. Sie ist auch im Alltag immer wieder im Einsatz. Es sind herrliche Ergebnisse und tolle Erinnerungen dabei herausgekommen. Gerade wenn man einfach den Blitz standardmäßig aktiviert passt dann auch der entsprechende Look dazu. Ein kleiner Mensch mit einer Kamera ist auch ein prima Eisbrecher im Gespräch mit Fremden.
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